Forum für Universität und Gesellschaft

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Porträtaufnahme von der Geographieprofessorin Chinwe Ifejika Speranza während ihrem Referat. Im Hintergrund ist ein Blumenstrauss zu sehen.
«Agrarlandnutzung ist eine wichtige Basis für Ernährungssysteme», betont Prof. Dr. Chinwe Ifejika Speranza. Bild: © FUG/Stefan Wermuth

Drei Bedingungen für nachhaltige Agrarlandnutzung

Agrarlandnutzung ist eine wichtige Basis für Ernährungssysteme. An der Auftaktveranstaltung zur Reihe «Ernährungstrends: zwischen Realität und Dogmen» des Forums für Universität und Gesellschaft spricht die Geographieprofessorin Chinwe Ifejika Speranza über drei wesentliche Bedingungen für die nachhaltige Nutzung von Agrarland.

Von Sarah Beyeler

Der beschwingte Auftakt zu Mariachi-Klängen in den Veranstaltungsmorgen stand mit Aktualität und Dringlichkeit des Themas nicht im Widerspruch: Nach einigen Takten aus Hubert von Goiserns Lied Eiweiss greift Forumspräsidentin Prof. Dr. Virginia Richter in ihrer Begrüssung – in Anlehnung an den Liedtext – verschiedene Aspekte der globalen Ernährungsproblematik auf und verweist unter anderem auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Nahrungsmangel. Zur Wahrung unserer eigenen Ernährungssicherheit habe der Chef des Bundesamts für Landwirtschaft jüngst gefordert, die Schweiz müsse ihre Ernährung umstellen: weg vom Food Waste und vor allem weg vom Fleischkonsum.

Die Wahl des Essens ist auch Ausdruck von Individualität.

Es sei schwer, solche Ziele durch Appelle an die Vernunft zu erreichen, räumt Richter ein. Vielleicht auch, weil wir Belehrungen und vorgeschriebene Vegi-Tage als dogmatisch empfänden: «Die Wahl des Essens ist auch Ausdruck von Individualität, ist Wahl eines Lebensstils. Das richtige Essen – zwischen traditionellem Sonntagsbraten und radikalem Veganismus – ist aber offensichtlich eine Frage, die viele umtreibt.»

Theoretisch wäre es möglich, zehn Milliarden Menschen zu ernähren.

Auch Regula Rytz, Vizepräsidentin des Forums, serviert in ihrer Einleitung schwere Kost und verweist auf Krieg und Klimanotstand, auf Preisexplosionen und ökologische Belastungsgrenzen, welche die globale Lebensmittelversorgung beeinflussen. Doch Rytz ist vorsichtig optimistisch: «Theoretisch wäre es möglich, zehn Milliarden Menschen zu ernähren, ohne die begrenzten Ressourcen der Erde zu überlasten.» Dafür seien jedoch fundamentale Veränderungen nötig – bei der Landbewirtschaftung, bei den Handelsbedingungen und auf Seiten der Verbraucher:innen. «Das ist einfacher gesagt als getan», so Rytz. Welche Veränderungen für eine nachhaltige Agrarlandnutzung nötig sind, thematisierte das nachfolgende Referat.

Drei Bedingungen für nachhaltige Agrarlandnutzung

«Agrarlandnutzung ist eine wichtige Basis für Ernährungssysteme. Damit sie nachhaltig werden, muss auch Agrarlandnutzung nachhaltig sein!» betont Prof. Dr. Chinwe Ifejika Speranza vom Geographischen Institut der Universität Bern und umreisst drei zentrale Bedingungen für eine nachhaltige Agrarlandnutzung.
Erstens: «Agrarland, insbesondere fruchtbarer Boden, ist endlich.» Doch der Druck von Siedlungsentwicklung und Urbanisierung auf Agrarland nehme zu. Deshalb müsse Agrarland gesetzlich geschützt sein. Manche Länder ergreifen hierfür Massnahmen, die Schweiz etwa mit der Raumplanung und der Verordnung von Fruchtfolgeflächen. An anderen Orten existierten keine vergleichbaren Instrumente, obwohl der Schutz von Agrarland eine der ersten Massnahmen zur nachhaltigen Bewirtschaftung sei. Denn wenn es genügend qualitativ hochwertiges Agrarland gebe, könne die Menge an Inputs (z.B. Dünger) reduziert werden, was wiederum den Ernährungssystemen zugutekomme, unterstrich die Referentin.

Wenn Frauen und auch Männer gesichertes und durchgesetztes Agrarlandrecht haben, können sie selbst entscheiden was angebaut wird. Dadurch wird das Landwirtschaftssystem diversifizierter.

Zweitens seien geschlechtergerechte Landrechte für eine nachhaltige Agrarlandnutzung und für Ernährungssicherheit wesentlich. In vielen Ländern bestünde jedoch kein gesicherter Zugang zu Land – besonders für Bäuerinnen, die aber einen grossen Teil der Landwirtschaftsarbeit leisteten. Und selbst wenn der Zugang rechtlich gesichert sei, kämen diese Rechte im Alltag häufig nicht zum Tragen. «Wenn Frauen und auch Männer gesichertes und durchgesetztes Agrarlandrecht haben, können sie selbst entscheiden was angebaut wird. Dadurch wird das Landwirtschaftssystem diversifizierter», so Ifejika Speranza. Nachhaltige Landnutzungspraktiken wie der Anbau von dürreresistentem Saatgut oder von unterschiedlichen Pflanzen verbesserten die Bodeneigenschaften, was zur Ernährungsicherheit und somit zur Armutsreduktion beitrage.
Als dritte Bedingung nennt Ifejika Speranza die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen. Viele Bäuerinnen und Bauern müssten abwägen: Wollen sie umweltfreundlich, aber arbeitsintensiv und ertragsarm anbauen? Oder auf ertrag- und einkommensreichere Methoden setzen, die aber umweltschädlich sind? Wenn sowohl die Gesellschaft als auch die Regierungen nachhaltige Agrarlandnutzungsmethoden unterstützten, könnten diese einfacher umgesetzt werden – eine nötige und wichtige Unterstützung für die Bäuerinnen und Bauern. Bisher hätten sich 193 Länder verpflichtet, bis 2030 verschiedene Nachhaltigkeitsziele, die mit Agrarlandnutzung in Verbindung stehen, umzusetzen. Gezielte Vorschriften könnten zudem die industrielle Agrarproduktion umweltfreundlicher gestalten und Anreize, wie etwa die schweizerischen Direktzahlungen oder die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP), könnten auf lokaler und nationaler Ebene nachhaltige Landbewirtschaftung fördern und zur ländlichen Entwicklung beitragen. «Derartige politische Massnahmen sind nicht perfekt, aber sie können laufend den lokalen oder regionalen Verhältnissen angepasst werden. Wenn jedes der 193 Länder solche umweltfreundlichen Anreize setzt, wird dadurch die Transformation hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen entscheidend gefördert», ist die Referentin überzeugt.

«Ernährung ist mehr als das, was auf den Teller kommt», schliesst sie. Aus der Perspektive der Agrarlandnutzung sei es für Ernährungssysteme wichtig, ob ein Stück Land geschützt ist und ob es nachhaltig genutzt wird, wer über die Art des Anbaus bestimmt und ob Anreize und Abgeltungen eine umweltfreundliche Agrarlandnutzung fördern. Diese strukturellen Massnahmen im jeweiligen lokalen Kontext bewirkten zusammen mit dem Wandel in anderen Bereichen wie dem Konsum und dem Handel eine Transformation hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen.

 

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Sarah Beyeler arbeitet am Forum für Universität und Gesellschaft

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