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Governance für Plattformen

Die Frage nach politischem Handlungsbedarf stand im Zentrum des Podiums mit Politik- und Wissenschaftsvertreter:innen. Zwischen den Diskutierenden herrschte zuweilen Konsens, wenn auch mit teils recht unterschiedlichen Vorstellungen über die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs.

Von Sarah Beyeler

Unter der Leitung von Dr. Hans Werder diskutierten die drei Nationalrät:innen Matthias Aebischer (SP), Marianne Binder-Keller (Die Mitte), Katja Christ (GLP) und Prof. Dr. Otfried Jarren.
Das Problem sei dringlich, betonte Aebischer und fuhr mit einem aktuellen Beispiel fort: Google und der Facebook-Mutterkonzern Meta müssten in Südkorea wegen Verstössen gegen das Datenschutzgesetz Strafen in zweistelliger Millionenhöhe zahlen – sie hätten Daten missbraucht, um personalisierte Werbung an die Nutzer:innen zu verschicken. Aebischer knüpfte damit an das Referat von Otfried Jarren an, der den Mangel an Transparenz im Zusammenhang mit den Plattformen thematisierte: «Wir haben ein Problem, denn wir wissen vieles gar nicht.»

Eigenverantwortung versus Regulierungsbedarf

Ob und in welchem Ausmass Handlungsbedarf bei der Regulierung der Plattformen bestehe, lautete denn auch eine Streitfrage auf dem Podium – einig wurde man sich nicht. Nicht alles sei in der Kommunikationswelt schlimmer geworden, hielt Marianne Binder-Keller den Regulierungsforderungen entgegen. Zwar hätten die Kommunikationsplattformen und Sozialen Medien unbestritten Voraussetzungen für ungute Entwicklungen geschaffen, doch sie böten auch neue, positive Möglichkeiten. «Letztlich ist es in einer Demokratie eine Sache der Wachsamkeit und der Eigenverantwortung, falsche Nachrichten von guten Nachrichten zu unterscheiden. Das ist unsere Bürgerpflicht und unsere Erziehungspflicht gegenüber den Jungen.»

Als Nationalrätin kann ich über die Sozialen Medien kommunizieren, ohne darauf angewiesen zu sein, dass ein Medienhaus meine Anliegen transportiert.

Auch Katja Christ vertrat eine positive Sicht: «Als Nationalrätin kann ich über die Sozialen Medien kommunizieren, ohne darauf angewiesen zu sein, dass ein Medienhaus meine Anliegen transportiert.» Sorgen mache sie sich um die Medienbildung der jüngeren Generationen, die sich vor allem über die Sozialen Medien informieren würden: «Wie fördern wir unsere Jungen, den Unterschied zwischen Inhalten von Bezahlmedien und Gratis-Plattformen zu kennen?»

Matthias Aebischer hingegen vertrat dezidiert die Meinung, dass Handlungsbedarf bestehe und die Politik vorausschauend handeln müsse. Er setze auf die EU-Gesetzgebung, die die digitale Souveränität wiederherstellen und für einheitliche Kriterien im Binnenmarkt sorgen will. Im nationalen Alleingang könne kaum ein Hebel angesetzt werden, weshalb internationale Regelungen unerlässlich seien. «Zum Glück schafft Europa bereits Gesetze. Google und Meta wird auf die Finger geschaut.» Die Macht von solchen Konzernen sei enorm, der Markt spiele nicht und man dürfe nicht vergessen, dass das Internet und die Plattformen auch mit öffentlichen Geldern so gross geworden sind. «Dann wurden sie privatisiert; sie beeinflussen die politische Meinung und fördern Verschwörungstheorien – und wir schauen einfach zu – wie lange noch?»

Zukunft des Qualitätsjournalismus und die Rolle des Staats

«Ich finde die Medienqualität in der Schweiz nach wie vor gut, aber die Medienvielfalt nimmt ab, das ist erwiesen.» Im Kanton Bern gebe es gerade noch einen Medienkonzern, der bestimmt, was die Leute lesen. Deshalb dürfe die Politik die Medienförderung nicht verschlafen, warnte er. Denn «je mehr Medien ein Land hat, desto demokratischer ist es»!

Ich sehe die Frage der Vielfalt nicht so pessimistisch. Wir haben einen einigermassen gesunden Wettbewerb, der immer wieder herausfordert und einen gesunden Mix.

«Mehr Medien bedeuten nicht unbedingt mehr Demokratie», wandte Binder-Keller ein. Die schwindende Medienvielfalt in der Schweiz werde beklagt, aber die Informationsflut sei ja nicht kleiner geworden und man könne sich nach wie vor gut informieren. «Ich sehe die Frage der Vielfalt nicht so pessimistisch. Wir haben einen einigermassen gesunden Wettbewerb, der immer wieder herausfordert und einen gesunden Mix.»

Welche staatlichen Massnahmen braucht es, um den Qualitätsjournalismus zu stützen? Nebst der indirekten Medienförderung gebe es weitere Ideen, etwa, nebst den Radio- und Fernsehanstalten auch Zeitungen staatlich zu subventionieren oder als öffentliche Aufgabe einen Service Public-Plattform im Internet anzubieten. Eine interessante Idee, war man sich einig, jedoch bliebe die entscheidende Frage offen, nämlich, wer über die Akkreditierung der Journalist:innen bestimme, und nach welchen Kriterien die Inhalte ausgewählt werden.

Wie weiter?

Konsens bestand indes darin, dass die künftige Medienpolitik und -förderung viel stärker auf die digitale Welt auszurichten sei: «Wir müssen schauen, dass wir nicht zu viel in alte Strukturen investieren», betonte Katja Christ. Zusätzlich zu den etablierten Blättern entstünden neue Online-Medien mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen. «Solche jungen, lokalen Plattformen brauchen wir, um auch lokale Berichterstattung zu haben neben der nationalen Berichterstattung.» Die Medienförderung müsste so aufgegleist werden, dass die neuen Online-Medien mindestens nicht schlechter gestellt werden.

Ich will eine Schweiz mit möglichst vielen Medien, auch wenn sie uns kritisieren

«Um eine Regulierung kommt man nicht umhin», gab sich Otfried Jarren überzeugt. Es müssten Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Anbieter am Markt auch marktähnlich agieren (was zurzeit nicht der Fall sei). Um die aktuellen Marktdefizite zu korrigieren, müssten Mindeststandards durchgesetzt und Transparenz geschaffen werden. «Netz und Plattformen sind Infrastrukturen von erheblicher Bedeutung, weil darauf ganz verschiedene Märkte organisiert werden können mit allen Möglichkeiten, Chancen und Risiken.» Gerade im Zusammenhang mit Sicherheitsdebatten werde man feststellen, dass man deshalb genau hinschauen müsse.
«Ich will eine Schweiz mit möglichst vielen Medien, auch wenn sie uns kritisieren», wünschte sich Matthias Aebischer zum Schluss.

Zur Autorin

Sarah Beyeler arbeitet am Forum für Universität und Gesellschaft

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Das Bundeshaus steht auf einem digitalen Zahlenteppich aus Nullen und Einsen. Das Eingangsportal wird von Säulen aus zusammengerollten Zeitungen gestützt, die langsam am einstürzen sind. Über dem Eingangsportal steht das Wort Demokratie.
© Christa Heinzer

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