Forum für Universität und Gesellschaft

Aktuell

Stadtpräsident Stefan Berger begrüsst das Publikum zum regionalen Forumsgespräch «Chance Digitale Transformation» in Burgdorf. Bild: © FUG / Stefan Wermuth

Digitale Transformation als Chance

Die Stadt Burgdorf machts, das Regionalspital Emmental ebenso. An der Digitalen Transformation führt kein Weg vorbei. Aber worauf ist zu achten, damit die Digitale Transformation zur Chance wird? Am Regionalgespräch 2022 des Forums für Universität und Gesellschaft suchten Fachleute nach Antworten. 

Von Marcus Moser

Veränderungen fallen uns Menschen schwer. Das weiss der Volksmund, das wissen wir alle aus eigener Erfahrung. In der Corona-Zeit haben wir uns an Distanz gewöhnt. Und jetzt sollen wir uns wieder an analoge Veranstaltungen mit anderen Menschen wagen? Rund 40 Personen trauten sich und diskutierten leibhaftig und angeregt über die vielbeschworene «Digitale Transformation». «Unsere Gewohnheiten haben sich dramatisch verändert», bestätigte Dr. Stefanie Schumacher von der Universität Bern im Rückblick aufs Jahr 2021. «Wir haben eine Explosion digitaler Anwendungen erlebt», stellte die Oberassistentin vom Institut für Organisation und Personal fest. Wobei allerdings zwei Stufen zu unterscheiden seien: Zunächst die Übertragung analoger Prozesse in digitale. Und dann neue digitale Anwendungen, die wir bisher noch gar nicht kennen.

Beides seien Herausforderung für Unternehmen, zumal sich die Umweltdynamiken mit grosser Geschwindigkeit änderten. «VUCA» heisse das Akronym für diese neue Welt, in der alles zunehme: Volatilität, Unsicherheit, Complexität und Ambiguität seien deren Kennzeichen. Die Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen (und der Menschen) stiegen, was gerade Organisationen mit strengen Hierarchien an ihre Grenzen brächte. Das Zauberwort heisst «Agilität». «Veränderung steht im Zentrum», unterstrich Schumacher, aber wiederum: «Veränderungen fallen uns schwer». Warum? Es liegt am „Status Quo Bias“, einer kognitiven Verzerrung, die unsere Entscheidung beeinflusst. Wir gewichten die Nachteile des Verlassens bekannter Situationen stärker als die möglichen, aber noch unbekannten Vorteile einer neuen Situation. Wandel bedeute Offenheit für Neues. Das bedeute aber auch, Altes aufzugeben, betonte Schumacher. „Darum müssen wir in dieser Transformation viel kommunizieren, Offenheit erzeugen, aber auch thematisieren, was wir aufgeben.“ Zum Schluss formulierte Stefanie Schumacher die Erfolgsfaktoren, die für eine gelingende Digitale Transformation in Organisationen unabdingbar sind: Gründe zur Veränderung haben, ein Zukunftsbild entwickeln, Rollen und Vorbilder definieren, Prozesse organisieren, Rahmenbedingungen klären.

Stefanie Schumacher: «Veränderungen fallen uns Menschen schwer.» Bild: © FUG / Stefan Wermuth

Burgdorf digital einfach

Stefan Berger, Stadtpräsident von Burgdorf, hatte es in seiner Begrüssung bereits unterstrichen: Burgdorf will «digital einfach» werden. Was das bedeutet, erklärte Andreas Rössler in seinem «Werkstattbericht». Der studierte Maschineningenieur und Betriebswirt arbeitet seit 2020 als Digital Officer von Burgdorf. Wie von Stefanie Schumacher empfohlen, verbrachte er zunächst viel Zeit damit, die Rahmenbedingungen zu klären. «Bei der Digitalen Transformation steht der Kunde und seine Bedürfnisse im Zentrum», erläuterte Rössler. «Zugleich gilt es aber, ein gemeinsames internes Verständnis zu erarbeiten». Kunden sind zunächst mal die Einwohnerinnen und Einwohner, aber auch Gewerbetreibende oder Vereine. Das «gemeinsame interne Verständnis» bezieht sich auf die Verwaltung mit ihren Direktionen, die Dienstleistungen für die Kundinnen und Kunden erbringt. Bezogen auf diese interne Bezugsgruppe zeigten Befragungen rasch, dass der Begriff «Digitale Transformation» sehr unterschiedlich interpretiert wird. Es galt, einen Strategieprozess zu initiieren, der zu einem gemeinsamen Verständnis führen sollte. «Digitale Transformation wird nicht durch die Technik ausgelöst», beschrieb Rössler, «im Zentrum steht die kundenzentrierte Lösung eines Problems oder eine neue Anforderung». Der bisherige Strategieprozess habe gezeigt, dass die Mitarbeitenden sehr motiviert und engagiert seien. Aber auch, dass ein ausgeprägtes Denken in Direktionen (das berühmte «Silodenken») vorherrsche. Diese aufgabenspezifische Sicht gelte es hin zu einem stärker vernetzten Denken in Prozessen zu transformieren. 

Optimierte Abfallentsorgung 

Was kann das konkret heissen? Andreas Rössler zeigte an einem Beispiel, welche Vorteile die Transformation bestehender Aufgaben bringen kann. In Burgdorf gibt es über 50 Container (für Hauskehricht, Altglas, Blechdosen) sowie gegen 230 Abfalleimer, die an fixen Tagen und mit fixen Routen geleert werden. Die Planung basiert auf Erfahrungswerten. Neu wird der Füllstand der Container mit Sensoren überwacht. Die jeweiligen Füllstände werden elektronisch gemeldet und visualisiert. Maximale Füllstände werden hochgerechnet und eine routenoptimierte Leerung der Container erstellt. Letzteres gründet auf einem Algoritmus, der in Zusammenarbeit mit der ansässigen Fachhochschule erarbeitet und optimiert wird. Die Mehrwerte dieses Projekt sind vielfältig: Die Müllfahrzeuge können effizienter betrieben werden und für die Bürgerinnen und Bürger stehen immer freie Containerkapazitäten zur Verfügung. Das funktioniert allerdings nicht von heute auf morgen. Rösslers Zwischenfazit lautete entsprechend: «Sie müssen testen, verbessern, testen. Die Digitale Transformation gleicht einem Langstreckenlauf.»

Andreas Rössler: «Im Zentrum steht die kundenzentrierte Lösung.» Bild: © FUG / Stefan Wermuth

Patient first!

Die E-Government-Strategie der Schweiz (2020-2023) steht unter dem Motto «Digital first». «Bei uns heisst es in jedem Fall: Patient first!» meinte Dr. med Felix Bauknecht vom Spital Emmental. Der Chirurg ist seit 2011 auch für die Entwicklung des Klinikinformationssystems (KIS) verantwortlich. In dieser elektronischen Krankengeschichte werden die medizinischen Daten aller Behandlungsfälle in einem elektronischen System zusammengefasst. «Es geht darum, die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort» greifbar zu machen, erklärte Bauknecht. Am richtigen Ort kann heissen: am Krankenbett, in der Administration, im Operationssaal. Im Klinikinformationssystem werden beliebige Umsysteme eingebunden. Das betrifft beispielsweise Labordaten, Röntgenbilder, Ultraschall- oder Monitordaten. «Der Gesetzgeber verlangt von uns eine Langzeitarchivierung von zwanzig Jahren», so Bauknecht. «Es ist nicht trivial, den Datenzugriff für so lange Zeit zu gewährleisten». Bestehende Prozesse und Geschäftsmodelle würden durch die stetige Weiterentwicklung digitaler Technologien umgewandelt, wodurch sich auch der Kontakt zu den Kunden ändere. Covid sei hierfür ein gutes Beispiel gewesen, erläuterte Bauknecht. Innerhalb weniger Tage hätte das Spital Testanmeldung und -Bezahlung ins Internet übertragen müssen. 

Mehr Sicherheit, mehr Effizienz

Bauknecht unterstrich an mehreren Beispielen die Sicherheits- und Effizienzvorteile. So könne die Sicherheit der Medikamentenabgabe durch digitale Medikamentenpläne erheblich verbessert werden. «Voraussetzung ist allerdings, dass Hausärzte, Spitäler und Apotheken Zugang zu kompatiblen digitalen Systemen haben», gab Felix Bauknecht zu bedenken. Medienbrüche und ständig neue Technologien seien ein Problem, genauso wie der Parallelbetrieb zwischen analogen und digitalen Prozessen, beispielsweise bei der Terminvereinbarung. «Standardisierung ist das A und O», mahnte der Chirurg. Nur so seien die wachsenden Anforderungen an Datenschutz und Cybersecurity langfristig zu gewährleisten.

Felix Bauknecht: «Bei uns heisst es: Patient first.» Bild: © FUG / Stefan Wermuth

Zur Veranstaltung

Personen bewegen sich einzeln oder in Gruppen auf einem Zahlenteppich aus Nullen und Einsen. Der Teppich symbolisiert die Digitalisierung beziehungsweise die Digitale Transformation.
© Christa Heinzer

Längst betrifft die Digitalisierung nicht mehr nur die Informatikabteilung einer Gemeinde. Was bedeutet das für eine Stadt wie Burgdorf? Wie können die öffentliche Verwaltung oder ein Unternehmen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien einen Mehrwert für die Bevölkerung und sich selbst schaffen?

Hier finden Sie sämtliche Unterlagen zur Veranstaltung.