Forum für Universität und Gesellschaft

Aktuell

Porträtaufnahme von Isabel Jaisli während ihrem Referat. Sie spricht und gestikuliert; im Hintergrund sind eine grüne Pflanze und ein Banner mit dem blauweissen Forumslogo zu sehen.
«Wir brauchen nicht nur ein bisschen Veränderung, sondern eine sehr, sehr grosse Tranformation auf allen Ebenen», fordert Isabel Jaisli. Bild: © FUG/Stefan Wermuth

Wege zum nachhaltigen Ernährungssystem

«Wo stehen wir heute?», fragt Isabel Jaisli von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit Blick auf ein nachhaltiges Ernährungssystem. Vor allem vor grossen Herausforderungen, wie ihre Ausführungen zeigen – doch sie präsentiert auch Lösungsansätze.

Von Sarah Beyeler

«Im Endeffekt können wir sagen, dass die gesamte Welt irgendwie zum Ernährungssystem gehört.» Isabel Jaisli von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften geht vom Ernährungssystem als einem Gesamtsystem aus. Entsprechend sind auch die Herausforderungen global: In einem sich ändernden Klima müsse eine wachsende Bevölkerung ernährt, die Umwelt geschützt und den Menschen in der Landwirtschaft eine Lebensgrundlage ermöglicht werden. Doch Umweltauswirkungen der Nahrungsmittelproduktion auf Wasser, Luft und Boden stellten eine zunehmende Gefährdung der weltweiten Ökosysteme und der Landwirtschaft dar. Bevölkerungswachstum, Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten, eine wachsende Nachfrage nach Biotreibstoffen und der Klimawandel verschärften die Konflikte. Ein düsteres Szenario, und so fragt auch die Referentin: «Welche Veränderungen sind nötig, um ein nachhaltiges Ernährungssystem zu schaffen, das ausreichend gesunde Nahrungsmittel produzieren kann, ohne die Ressourcengrundlage zu zerstören?»

Wir brauchen nicht nur ein bisschen Veränderung, sondern eine sehr, sehr grosse Tranformation auf allen Ebenen.

Wissensarten und Lösungsansätze

Jaisli unterscheidet verschiedene Wissensarten mit je eigenen Herangehensweisen an die grosse Frage. Systemwissen frage danach, wie Erährungssteme funktionieren; beim Zielwissen gehe es darum, wie ein nachhaltiges Ernährungssystem aussehe. In ihrem Beitrag steht das Tranformationswissen im Zentrum. Es fokussiere darauf, wie wir ein nachhaltiges Ernährungssystem erreichen können und entspreche damit am ehesten ihrer Ausgangsfrage, erklärte die Referentin.

Ja aber was ist denn überhaupt ein nachhaltiges Ernährungssystem? Jaisli bezieht sich auf die Definition der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen: Ein nachhaltiges Ernährungssystem bietet Ernährungssicherheit und Ernährung für alle, ohne die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Grundlagen für die Ernährungssicherheit und Ernährung für künftige Generationen zu gefährden. Wie erreichen wir das? Auch hier gibt es unterschiedliche Ansätze, das Problem und die Lösungen zu verorten.

Die Effizienzsstrategie fokussiert auf die Verfügbarkeit und zielt darauf ab, die Produktion auf bestehenden Flächen zu intensivieren und sowohl Umweltkosten als auch Lebensmittelverluste zu reduzieren. Sie verkenne, dass die Hauptursache von Ernährungsunsicherheit nicht die fehlende Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln, sondern der fehlende Zugang zu ihnen sei, kritisiert Jaisli.

Die Suffizienzstrategie setzt bei den Konsument:innen an und sieht in der Minderung des Konsums tierischer Produkte den Schlüssel zu einem nachhaltigeren Ernährungssystem.
«Doch weniger wovon?», fragte die Referentin. Man spreche immer von weniger Fleischkonsum, «doch es gibt unterschiedliche Fleischsorten». Vergleiche man etwa Rindfleisch mit Geflügel oder Schweinefleisch in punkto Treibhausgas-Emissionen, so schneide Rindfleisch deutlich schlechter ab. Gehe es aber darum, Ressourcen möglichst gut zu nutzen, sehe es gerade umgekehrt aus: «In der Schweiz gibt es sehr viel Grasland, das für den Ackerbau nicht geeignet ist. Hier bieten sich die Wiederkäuer an, denn sie können das Gras in Milch und Fleisch umwandeln.»

Die Verteilungsstrategie zielt darauf, die Machtstrukturen im Ernährungssystem aufzubrechen. Stichworte dazu sind fairer Handel, Regulierung von Grosskonzernen, etc. Dabei würden Effizienz und Produktivität zu wenig beachtet, bemängelt sie.

Mehrere Strategien – eine ganzheitliche Perspektive

«Es ist wichtig, die verschiedenen Strategien zu verbinden und eine ganzheitliche Perspektive einzunehmen», fordert Jaisli. Das Konzept einer Agrarökologische Transformation gewinne zunehmend an Bedeutung und stelle eine Alternative dar zum heutigen Ernährungssystem. «Wir brauchen nicht nur ein bisschen Veränderung, sondern eine sehr, sehr grosse Tranformation auf allen Ebenen.» Das System müsse als Gesamtsystem betrachtet werden, und nicht – wie bisher –einzelne Bereiche wie Landwirtschaft oder Ernährung isoliert für sich. Nur der Austausch zwischen den verschiedenen Bereichen ermögliche, überhaupt eine Transformation zu erreichen – bis hin zum kompletten Umbau des globalen Ernährungssystems. «Wir müssen wegkommen von einer Agrarpolitik und verstärkt in Richtung Ernährungspolitik denken.»
Was kann denn jede:r Einzelne tun? «Diversität und kleine Strukturen fördern», lautet ein Tipp von Isabel Jaisli, und zum Beispiel in kleinen Unternehmen oder direkt beim Bauern einkaufen.

 

Zur Autorin

Sarah Beyeler arbeitet am Forum für Universität und Gesellschaft

Zur Veranstaltung

© Adobe Stock

Weitere Unterlagen zur Veranstaltungsreihe finden Sie hier.