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«Gott existiert nur in den Vorstellungen der Menschen», zeigte sich die Pfarrerin Ella de Groot überzeugt. Bild: © FUG / Stefan Wermuth

Sinnfindung ohne Gott?

Dass Sinnfindung ohne Gott möglich ist und das Ende eines theistischen Gottesglauben nicht das Ende vom Glauben oder gar von der Religion bedeutet, gehörte zu den Kernaussagen der Pfarrerin Ella de Groot.

Von Doris Moser

Ella de Groot, Pfarrerin der reformierten Kirchgemeinde Muri-Gümligen, begann ihr Referat mit dessen Titelfrage: Sinnfindung ohne Gott? «Aber von was reden wir, wenn wir von Gott reden?», fragte sie weiter. Der traditionelle Theismus, also die Vorstellung eines personalen Gottes, der die Welt aus dem Nichts erschaffen und seither von aussen die Geschicke der Welt lenke, sei für viele Menschen nicht mehr vertretbar. Das Ende eines theistischen Gottesglauben bedeute aber nicht das Ende vom Glauben oder gar von der Religion. «Unterwegs mit den Menschen bin ich auf der Suche nach einem tragfähigen Glauben, den wir mit unseren Worten ausformulieren und verstehen können», berichtete die Pfarrerin aus ihrem Berufsalltag. 

Ohne Gott...

«Weil der Mensch die Begrenztheit und die Tragik seines Lebens bewältigen muss, ist er religiös», hielt die Theologin fest. Gottesvorstellungen würden demzufolge nicht auf einen existierenden Gott verweisen, sondern auf Erfahrungen im Umgang mit Ängsten, Hoffnungen und Sehnsüchten. Theologie, wörtlich Rede von Gott, solle dem Denken in Bewegung entsprechen, vergleichbar einem Pilger auf seiner Reise. So entspreche Theologie nichts anderem als verschiedenen Deutungen menschlicher Grunderfahrungen. «Gott ist ein Wort, das hervorgebracht worden ist durch unsere Fantasie, durch unsere Vorstellungskraft, oder anders gesagt: Gott existiert nur in den Vorstellungen der Menschen», zeigte sich die Pfarrerin überzeugt. Dies entspreche nicht einer atheistischen Haltung, denn Atheismus sei keine Alternative zu einer theistischen Gottesvorstellung: Wenn Gott nicht existiere, mache nämlich auch Atheismus keinen Sinn mehr. «Die Frage ist also nicht, ob Gott existiert, sondern ob die eigene Vorstellung von Gott noch zum eigenen Leben passt», erläuterte de Groot. 

...Sinn finden?

«Eine Theologie, die Gott als Tröster, Gott als Lückenbüsser für Unbegreifliches begreifbar machen will, die eine Antwort auf Sinnfragen in der Krise zu geben versucht, so eine Theologie läuft Gefahr, zum Götzendienst zu verkommen», gab die Pfarrerin zu Bedenken. Der Mensch suche nach einem Sinn in seinem Leben, denn er wolle seine schwierigen Erfahrungen deuten können. «Just in einer Zeit, da die Anzahl der Konfessionslosen ansteigt, gibt es eine paradoxe Wiederkehr des Religiösen», beobachtete die Theologin. Und alles Religiöse à la carte? «In gewissem Sinne ja, weil die Menschen unterschiedlich sind und ihre Erfahrungen unterschiedlich deuten», beantwortete de Groot die Ausgangsfrage des Anlasses. Die Vielfalt unterschiedlicher Denkhorizonte der Menschen entspreche der Vielfalt unterschiedlicher Gottesbilder. 

«Sinnfindung ohne Gott!»

Woher kommen Gottesvorstellungen? Alle Menschen seien mit Vorstellungskraft und Fantasie ausgestattet, die helfen würden, spielend andere Wirklichkeiten zu schaffen. Religionen hätten ihren Ursprung ebenfalls im Spielen. «Der Blick auf das Spielen ist aber verschleiert worden, weil Vermutungen und Vorstellungen zu Wahrheiten erhoben wurden. Dadurch ist der spielerische Charakter der Religionen verloren gegangen» ergänzte die Theologin. «Wir Menschen sind in der Lage, uns mit Sprache und Bildern eine bessere Welt einzubilden und so unsere Wirklichkeit zu erweitern», erklärte de Groot. Im Gottesdienst könne diese Sehnsucht nach einer besseren Welt aufgenommen und verstärkt werden. So könne auch nach der Verabschiedung von einem theistischen Gottesbild im Gottesdienst das Spiel der Sinnfindung gespielt werden. Es sei auch möglich, zu einem Gott zu beten und ihm zu danken im Wissen, dass es ihn nicht gebe. «Die Fantasie ist die Basis für Veränderungen und die Einbildung die Grundlage für Sinnfindung» führte die Pfarrerin aus. Dabei könnten die Geschichten aus der Bibel mit diesen jahrtausendalten Lebenserfahrungen unterstützend wirken, «denn in der biblischen Tradition liegt ein grosses Sinnfindungspotential!» schloss de Groot.