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Der Referent Philipp Moll steht hinter einem Rednerpult und spricht in ein Handmikrofon. Mit der linken Hand gestikuliert er, im Hintergrund sind ein Blumenstrauss und ein Banner mit dem blauweissen Forumslogo zu erkennen.
Philipp Moll, freischaffender Musiker: «Gehen Sie an Konzerte und erzählen Sie Ihren Freundinnen und Freunden davon.» © FUG / Stefan Wermuth

«Wir müssen über Zahlen reden»

Musikhören: Wann, wo und was sie wollen. Audiostreaming ist mehrheitsfähig. Mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die Musikerinnen und Musiker.

Von Marcus Moser

Es mutet an wie Magie: Der Kopfhörer ist unverbunden – und spielt trotzdem Musik. Gestreamte Musik ist allgegenwärtig, immer, überall. Philipp Moll ist freischaffender Musiker und Kurator. Er schreibt Songs, Filmmusik und veranstaltet Jazz-Konzerte. Und er will über Zahlen reden. «Wir sind davon abgekommen, Musik in Form physischer Tonträger zu besitzen», sagt Moll. Aber das Vinyl-Revival! –  möchte man einwenden. Vinyl macht gerade 2 Prozent des Kuchens aus (Tendenz steigend). CD? Rund 7 Prozent (Tendenz sinkend). 73 Prozent des Musikkonsums erfolgt über bezahlte Streamingdienste. Moll will über Zahlen reden. Wird ein Stück auf Radio DRS2 gespielt, werden Vergütungen (Tantiemen) fällig. Hier 5 bis 10 Franken pro «Airplay». Auch wenn dasselbe Musikstück über Spotify gestreamt wird, werden Tantiemen fällig. Wird das Stück 314mal abgerufen, ergibt dies 1 (EINEN) Dollar.
Das Durchschnittseinkommen in der Schweiz (Median) beträgt gemäss Bundesamt für Statistik rund 6500 Franken (brutto). Sollen diese Einnahmen durch Streams via Spotify erreicht werden, sind 2'322'756 Streams nötig. Gehen die so generierten 6500 Franken an die Musikerinnen und Musiker? Äh – nein. 5530 Franken (82%) gehen zurück in die Musikindustrie. 1170 Franken (18%) gehen an die Musikerinnen und Musiker. Möchten diese das Schweizerische Durchschnittseinkommen von CHF 6500 erreichen, wären 12'904'199 Streams pro Monat nötig.

13 Millionen Streams für ein CH-Durchschnittseinkommen

«Die Top 100 im Bereich des Songwritings generieren diesen Betrag problemlos», meint Philipp Moll und zählt Namen auf: Ed Sheeran, Anne Marie, Clean Bandit, Adele, Dua Lipa, Calvin Harris (falls Ihnen diese Namen nichts sagen, bitte googlen). Molls Zwischenfazit: «Digitalisierung in der Musik ist ein sehr lukratives Geschäft – für einige wenige». Werfen wir einen Blick in die Schweiz; Moll zeigt die Zahlen vom Juli 2020. EDX, DJ Antoine, Nora En Pure und Mike Candis erreichten damals dank Spotify Einkünfte von plus/minus 20'000 CHF. Falls Ihnen diese Namen nichts sagen, bitte googlen. Die in Bern gefeierten Patent Ochsner erreichten in diesem Monat 2220 CHF, Stephan Eicher 1710 CHF, Züri West 444 CHF. Ja, die Welt ist ungerecht.

Chancen der Digitalisierung von Musik?

Das Geschäftsmodell zur Verbreitung von Musik via Streaming bevorzugt den Mainstream. Dennoch können alle Musikerinnen und Musiker von der Digitalisierung auch profitieren, in dem sie alles selber tun. Technisch ist es möglich, Alben und Soundtracks im Alleingang im Schlafzimmer zu produzieren und via Social Media zu promoten. Während der Pandemiezeit flimmerten viele entsprechende Beispiele über die Bildschirme. Für viele bleibt das Analoge, Haptische allerdings unverzichtbar. Für diese Gruppe – und alle anderen – hat Philipp Moll klare Empfehlungen: «Gehen Sie an Konzerte. Erzählen Sie davon. Erwerben Sie physische Tonträger der Künstlerinnen und Künstler, verschenken Sie die auch an Ihre Freundinnen und Freunde.» Und wenn wir streamen, dann wenigstens 30 Sekunden pro Track: «Erst dann bezahlt Spotify Tantiemen», betont Moll.

Zur Person

Der Referent Philipp Moll steht hinter einem Rednerpult und spricht in ein Handmikrofon. Im Hintergrund sind ein Blumenstrauss und ein Banner mit dem blauweissen Forumslogo zu erkennen.
© FUG / Stefan Wermuth

Philipp Moll ist ein mehrfach preisgekrönter österreichischer Musiker und Kurator mit Lebensmittelpunkt Bern.Sein Ensemble Jütz gastiert seit zehn Jahren in den renommierten Häusern des deutschsprachigen Raums. In Bern organisiert Moll die Konzertreihe 12PM Sunday Jazz.

ZUM AUTOR

Marcus Moser arbeitet als Geschäftsleiter des Forums für Universität und Gesellschaft

Zur Veranstaltung

Schwarz-Weiss-Foto einer leeren Bühne mit einem Lichtkegel von drei Scheinwerfern; in den Lichtstrahlen ist feiner Nebel sichtbar.
© freepik.com

Die Videoaufzeichnung von Philipp Molls Vortrag können Sie sich hier ansehen. 

Weitere Unterlagen zur Veranstaltungsreihe finden Sie hier.