Forum für Universität und Gesellschaft

Aktuell

«Die Kirchen sollten als korrektive Kraft gegenüber dem Staat wirken», forderte Franziska Schöni-Affolter. Bild: © Forum Universität und Gesellschaft / Stefan Wermuth

Warum es keine Allianz von Kirchen und Staat braucht

Die enge Verbindung von Staat und Kirche im Kanton Bern sei nicht mehr zeitgemäss. Grossrätin Franziska Schöni-Affolter forderte Kostentransparenz und eine Anpassung der kirchlichen Leistungen an die Bedürfnisse der Bevölkerung.

Von Doris Moser

Die Taufen gehen zurück

«Wir haben einen Einbruch an Taufen, insbesondere die reformierten Taufen haben enorm abgenommen», begann Dr. med. Franziska Schöni-Affolter, Grossrätin des Kantons Bern für die glp, ihr Referat. Dies und die steigende Anzahl Konfessionslose führe zueinem Schwund von Kirchenmitgliedern, unter dem vor allem die reformierten Kirchen litten. Auch die katholischen Kirchgemeinden verzeichneten einen Mitgliederrückgang. Dass ein Bedürfnis nach Spiritualität nach wie vor vorhanden sei, sei unbestritten, betonte Schöni-Affolter, aber dieses Bedürfnis würde nicht mehr einzig durch die Kirchen befriedigt.

Kirchen und Staat: ein verwobener Teppich

Zurzeit würden jährlich etwa 80 Millionen Steuergelder allen im Kanton Bern anerkannten Kirchen zur Verfügung gestellt. Dies geschehe unabhängig von den im Gegenzug erbrachten Leistungen, denn es bestünden keine Leistungsverträge. Man gehe davon aus, dass sich eine Pfarrperson mit einer hundertprozentigen Anstellung um etwa 2200 Kirchenmitglieder kümmern könne. Bei den reformierten Kirchen werde dieses Verhältnis heute aber nicht eingehalten. Pro Vollzeitstelle würden deutlich weniger Personen betreut, im Schnitt etwa 1600 Kirchenmitglieder. Im Berner Jura sei das Verhältnis zwischen Beschäftigungsgrad und Mitgliederbetreuung noch schlechter. Dies sei jedoch historisch bedingt: Bei der Übernahme des neuen Gebietes vom katholischen Bistum Basel durch den Kanton Bern im Jahr 1815 sei mit einer starken Präsenz der reformierten Kirchen ein kirchenpolitisches Ziel verfolgt worden. Aber auch im Berner Oberland würden sehr kleine Kirchgemeinden unterhalten. In der reformierten Kirchgemeinde Gadmen beispielweise betreue eine Pfarrperson mit einem 50%-Pensum 150 Kirchenmitglieder. Auf der Basis der oben genannten Grundanforderung würde dieser Kirchgemeinde eine Anstellung einer Pfarrperson von sieben Prozent zustehen. Nicht nachvollziehbar sei deshalb, warum kleine Kirchgemeinden nicht fusionierten, obwohl die politischen Gemeinden diesen Schritt längst umgesetzt hätten. 
Die katholischen Kirchgemeinden im Kanton Bern verzeichneten eine bessere Auslastung der Pfarrstellen, fast alle Kirchgemeinden würden die Grundanforderung in Bezug auf das Betreuungsverhältnis erfüllen. 

«Ewigkeit im Recht gibt es nicht»

In Artikel 29 und 30 des neuen bernischen Landeskirchengesetzes sind Sockelbeiträge festgelegt, die für die Entlohnung der Geistlichen aller anerkannten Kirchen verwendet werden sollen. Diese klar bezifferten Beiträge sind Teil des Gesetzes und sollen «auf Ewigkeit abgegolten werden», so Schöni-Affolter. So seien jährlich 40 Millionen weg, denn «sie sind zementiert.» In Artikel 31 wird zudem festgehalten, dass der Kanton die Landeskirchen zusätzlich für Leistungen von gesamtgesellschaftlichem Interesse unterstützen soll. Dieser Leistungsbeitrag wird jeweils für sechs weitere Jahre festgelegt auf der Basis eines nach vier Jahren erstatteten Berichts. Es seien Beiträge «für Leistungen ohne Konkurrenz, es sind Globalbeiträge» unterstrich die Referentin.

Braucht es heute noch eine Allianz zwischen Kirchen und Staat? 

Die Kirchen hätten in der Vergangenheit die Aufgabe gehabt, integrativ zu wirken, betonte Franziska Schöni-Affolter. Die Aufgabe der Wertvermittlung falle aber heute vorwiegend dem Staat zu. Der moderne Staat sei pluralistisch und die Integration aller Mitglieder in die Gesellschaft sei zwingend anzustreben. Eine enge Kooperation mit einem ausgewählten Partner würde diese Forderung klar untergraben und die Bildung von Parallelgesellschaften fördern.
«Die Kirchen sollten als korrektive Kraft gegenüber dem Staat wirken», forderte die Grossrätin der Grünliberalen Partei. Wenn Kirchen und Staat so eng miteinander verwoben seien, könne diese Aufgabe aber weder wahr genommen, noch glaubhaft umgesetzt werden. «Die Allianz von Kirchen und Staat, diese unheilige Allianz nützt heute niemandem mehr!» zeigte sich die Politikerin überzeugt und schloss mit einer Aufforderung: «Eigentlich sollten die Kirchen den Mut haben, zu neuen Ufern aufzubrechen. Ich bin überzeugt: Sie würden das schaffen!»

Veranstaltungsreihe Winter 2018/19

Kirchen zwischen Macht und Ohnmacht

«Kirchen und Staat: Heilige oder unheilige Allianz?» war die zweite Veranstaltung der fünfteiligen Reihe «Kirchen zwischen Macht und Ohnmacht». Die Reihe nähert sich der spezifischen Situation der christlichen Landeskirchen in der Schweiz.

Informationen, Veranstaltungsmaterialien und Anmeldemöglichkeiten zur den einzelnen Veranstaltungen finden Sie hier