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Dr. Andreas Zeller steht während seinem Referat am Rednerpult. Im Hintergrund ein blaues Plakat des  Forums für Universität und Gesellschaft
«Das Landeskirchengesetz bedeutet, dass die Allianz von Kirchen und Staat andauert», betonte Dr. Andreas Zeller. Bild: © Forum Universität und Gesellschaft / Stefan Wermuth

Das neue Landeskirchengesetz im Kanton Bern

Das neue Landeskirchengesetz soll im Kanton Bern ab 2020 gelten. Der Einfluss des Staates auf die Kirche bleibe nach wie vor intensiv. Aus Sicht der Kirche sei die Allianz zwischen Kirche und Staat weder heilig noch unheilig.

Von Sarah Beyeler

Nach intensiven Vorarbeiten hätten der Regierungsrat und der Grosse Rat den Gesetzesentwurf zum neuen Landeskirchengesetz verabschiedet, das Referendum sei nicht ergriffen worden, zeigte sich Dr. Andreas Zeller, Synodalratspräsident der reformierten Kirchen BE-JU-SO, zufrieden. Ein schlankes Gesetz sei es, fuhr er fort und erläuterte im Folgenden die wichtigsten Punkte.

Gesamtgesellschaftliches Engagement für alle Menschen im Kanton

Aufgabe der Landeskirchen sei, im gesamtgesellschaftlichen Interesse zur solidarischen Gemeinschaft, zum Frieden unter den Religionen, zur religiösen Bildung, zur Kulturpflege und zur Vermittlung grundlegender Werte beizutragen. «Dieses gesamtgesellschaftliche Engagement für alle Menschen im Kanton ist sehr wichtig. Wir fragen niemanden nach seinem Mitgliederausweis», betonte Zeller. Ausdrücklich festgehalten werde im Gesetz zudem die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Kanton und Landeskirchen. Die Kirchgemeinden blieben dem Gemeindegesetz unterstellt, betonte der Referent. Das bedeute etwa, dass der Synodalrat künftig nicht kleine Kirchgemeinden fusionieren könne, sondern dies werde der Grosse Rat auf Antrag des Regierungsrates tun. «Wir sehen an diesem Punkt, dass der Einfluss des Staates auf die Kirche nach wie vor intensiv bleibt.»

Qualität der Pfarrausbildung garantieren

Für die bernischen Pfarrerinnen und Pfarrer schreibe auch das neue Gesetz einen Universitätsabschluss in Theologie und das bestandene Staatsexamen vor. Die Prüfungskommission für das Staatsexamen bleibe beim Kanton. «Das sind wichtige Dinge, die garantieren, dass die Qualität der Pfarrausbildung erhalten bleibt», so Zeller. Für die Pfarrerinnen und Pfarrer habe man das kantonale Personalgesetz im Grundsatz übernommen, äusserte er sich zu den Anstellungsbedingungen. Geplant sei, dass die 480 Anstellungsverhältnisse für reformierte Pfarrerinnen und Pfarrer ab Neujahr 2020 an die Kirchen übergingen: «Wenn am 25. Januar 2020 alle im Dienst stehenden Pfarrerinnen und Pfarrer den richtigen Lohnausweis erhalten, dann haben wir unsere Aufgabe erfüllt.»

Neue Rechte, mehr Datenaustausch

Neu erhielten Pfarrerinnen und Pfarrer von staatlichen Einrichtungen auf Anfrage Namen und Adressen ihrer Konfessionsangehören – sofern deren Zustimmung vorliege. Von Schulleitungen würden Klassenlisten zur Verfügung gestellt sowie weitere, für den Religionsunterricht nötige Angaben, damit die Kinder überhaupt in diesen Unterricht eingeladen werden könnten. Dies bedeute eine wesentliche Verbesserung gegenüber der heutigen Situation, wo Kirchgemeinden nicht von solchen Listen profitierten, gab sich Zeller zufrieden. Weiter erhielten die Landeskirchen Angaben zur Bevölkerung in einer bestimmten Gemeinde, was für den Finanzausgleich und die Pfarrstellenzuordnung nötig sei. Auch der Datenaustausch innerhalb der Landeskirchen und mit anderen Landeskirchen werde neu möglich.

Finanzen: Historische Pauschalbeträge und ein Globalbeitrag

Die Finanzen gliederten sich in zwei Säulen, erläuterte Andreas Zeller. Die erste Säule betreffe Pauschalbeträge aufgrund einer historischen Grundlage: Als der Kanton Bern zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach dem napoleonischen Raubzug bankrott gewesen sei, habe er Areale der Kirchen übernommen. Sieben Millionen Quadratmeter Land «an bester Lage, immer im Zentrum der Ortschaften» gingen dabei in seinen Besitz über. Die Kirchen seien dabei aber nicht ganz leer ausgegangen, denn als Entgelt habe der Staat die Pfarrlöhne finanziert. Eine Arbeitsgruppe habe nun errechnet, dass damals 197 Pfarrstellen vom Staat besoldet worden seien. «Dieser Beitrag soll künftig fix im Budget sein und 34.8 Millionen Franken betragen».

Die zweite Säule umfasse staatliche Beiträge für gesamtgesellschaftliche Leistungen wie Seelsorge, Flüchtlings- und Freiwilligenarbeit. Hierfür werde ein sechsjähriger Globalbeitrag vom Grossen Rat an die Landeskirchen ausbezahlt. «Wir werden also in den Jahren 2023/24 diese gesamtgesellschaftlichen Leistungen gegenüber dem Staat ausweisen müssen, dann wird festgelegt, was die Kirchen für die Säule zwei ab 2026 erhalten werden.»

Weder heilige noch unheilige Allianz zwischen Kirchen und Staat

«Das Landeskirchengesetz bedeutet, dass die Allianz von Kirchen und Staat andauert. Sie ist aus Sicht der Kirchen weder heilig noch unheilig», betonte Synodalratspräsident Andreas Zeller. Aus einer Obrigkeits- und Staatskirche sei im Laufe der Jahrhunderte eine Landeskirche geworden, die gegenüber dem Staat als Partnerin auftrete. Die Begründung für die fortbestehende Allianz sah Zeller in Artikel 2 der Kirchenverfassung. Dieser besage unter anderem, dass die evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Bern «von ihrem Herrn den Auftrag hat, allem Volk in Kirche und Welt die Frohe Botschaft von Jesus Christus zu verkündigen».

 

Veranstaltungsreihe Winter 2018/19

Kirchen zwischen Macht und Ohnmacht

«Kirchen und Staat: Heilige oder unheilige Allianz?» war die zweite Veranstaltung der fünfteiligen Reihe «Kirchen zwischen Macht und Ohnmacht». Die Reihe nähert sich der spezifischen Situation der christlichen Landeskirchen in der Schweiz.

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